Das Antlitz von Werfen

Im Rahmen des Kulturstipendiums „Auf geht’s!“ des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW enteht derzeit folgendes Projekt.

Über einen längeren Zeitraum soll eine Dokumentation des Lebens in der Ortschaft Werfen / Gemeinde Windeck fotografiert werden.

Werfen zeichnet sich als Ortschaft durch eine sehr abwechslungsreiche und bunte Bevölkerung aus. Neben den älteren Menschen, die hier seit Jahrzehnten das Dorfbild prägen, gibt es viele Menschen mit alternativen Lebenskonzepten, Künstler und Handwerker in diesem wunderschönen, am Rande des Siegtals liegenden, Ort.

In fast schon direkter Nachbarschaft zu Werfen (genaugenommen in Kuchhausen) lebte und wirkte vor bald 100 Jahren der Fotograf August Sander. Sander schaffte durch seine außergewöhnlichen Portraits ein einmaliges Zeitdokument des damaligen Lebens in dieser Region. Heutzutage zählt August Sander zu den bedeutendsten Portraitfotografen des 20. Jahrhunderts überhaupt.

August Sander 1876 – 1964, Selbstportrait

In unserer jetzigen Zeit wird – im Gegensatz zu Sanders Werk – zu nahezu 100% digital fotografiert. Jeder Mensch trägt rund um die Uhr ein Smartphone in der Tasche, und so entstehen auf diesem Planeten täglich Milliarden von Bildern, die auf sozialen Netzwerken verbreitet werden, auf SD-Karten in Schubladen verschwinden oder – im besten Falle – in der Drogeriemarkt-Filliale um die Ecke ausbelichtet werden um anschließend in einem Schuhkarton zu verschwinden.

Das Problem ist: Von all diesen Bildern wird in 50 oder 100 Jahren so gut wie nichts mehr vorhanden sein…
Nichts ist so flüchtig, wie digitale Daten.
Unsere Gesellschaft wird ohne Zweifel – wenn sie sich nicht vorher bereits selbst eliminiert hat – in 100 oder 200 Jahren auf eine Zeit zurückblicken, die – was die Dokumentation des dortigen Lebens betrifft – ein schwarzes Loch darstellen wird. Es wurde soviel fotografiert und dokumentiert, wie noch nie in der Geschichte der Menschheit – aber gerade diese invasive Bilderflut, gepaart mit der katastrophalen Beständigkeit solcher Formate wird zukünftig zu einem massiven Bilderverlust führen.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, arbeite ich bei diesem Fotoprojekt in klassischer Schwarzweiß-Großformatfotografie. Ein korrekt ausfixiertes und -gewässertes Silberbild eines Schwarzweißnegatives kann bei einigermaßen akzeptabler Lagerung Jahrhunderte überdauern, und stellt somit ein weitaus zuverlässigeres Zeitdokument dar als ein Digitalfoto, das mit einem Händi geknipst und in die iCloud hochgeschoben wurde.

Bei meinem Projekt arbeite ich mit klassischen Großformatkameras der Marken Linhof und Plaubel im Format 4×5 Inch und in Ausnahmefällen (dynamische Aufnahmen) mit der Hasselblad im Format 56 x 56 mm.
Die Aufnahmen entstehen ausnahmslos auf Schwarzweißfilm Fomapan 400 und Ilford HP5. Die Großformatnegative werden in Einzelfilmentwicklung einzeln in der Schale entwickelt, d.h. für die Entwicklung jeder einzelnen dieser Aufnahmen stehe ich eine halbe Stunde im Labor – nur für die Entwicklung eines einzelnen Negatives.
Durch diese Maßnahme bekomme ich nicht nur Negative von bestechender fotografischer Qualität und hervorragender Langzeitstabilität – ich zwinge mich dadurch auch zur „Entschleunigung“. Es ist quasi eine Kampfansage an die invasive Massenbilderflut. Quality over Quantity. Daher ist auch Bestandteil meines Konzeptes, daß ich pro Person genau 2 Aufnahmen anfertige.